Von mitreißender spiritueller Wucht
Von Stefan Pieper am 10. Oktober 2011
MARL. "Waren unsere Sänger heute gedopt?", fragte jemand scherzhaft beim Empfang nach der Aufführung vom Brahms "Requiem"
durch die Marler Musikgemeinschaft. Die zum Teil stehenden Ovationen in der Sankt-Josefskirche schienen den Beteiligten Recht zu geben, an diesem
Abend glanzvoll über sich hinaus gewachsen zu sein.
Und es zeugte von Aufbruchstimmung, wie Chor und Orchester ihren neuen Dirigenten Wolfgang Endrös nach dessen Taktstock-Debüt feierten.
Hörbar war bei der viel beachteten Aufführung: Der Musikgemeinschaft unter neuer Leitung dürften gute Entwicklungspotenziale
beschieden sein.
Chor, Orchester und das Solisten-Duo aus Stefanie Rodriguez (Sopran) und Harald Martini (Bariton) schienen über die gesamten 70
Aufführungsminuten perfekt aufeinander eingeschworen. Die Homogenität eines zusammengewachsenen Klangkörpers scheint
Herzensanliegen dieses Dirigenten zu sein. Auf Anhieb entfaltet Brahms "Deutsches Requiem" diese biblisch-musikalische
Auseinandersetzung mit dem Jenseits, seine ganze mitreißende spirituelle Wucht - mal sehr getragen, etwa in Chorälen wie
"Alles Fleisch, es ist wie Gras"- dann wieder mächtig vorwärts stürmend und zupackend , etwa in jenem Chorgesang,
der in der Frage gipfelt: "Tod, wo ist dein Stachel?"
Präzise dosiert werden die Crescendi der Bedeutung dieses Wortes gerechter als je zuvor, wenn der Chor in seiner ganzen raumgreifenden
Opulenz wirklich anwächst - und nicht einfach nur lauter wird. Überhaupt dominiert eine hohe Transparenz der Chorstimmen selbst
in kompliziertesten harmonischen Gefügen. Streicherstimmen und disziplinierte Bläser fügen sich sauber und intonationssicher ein. Die
Gesamtwirkung ist an diesem Abend so stimmig, dass man die Aufführung gar nicht in starke und schwache Momente unterteilen kann - auch das
ist ein neuer Eindruck, der sich sicherlich noch verstärken wird, wenn die intensive Arbeit erst mal über längere Zeit andauert.
Quelle: Marler Zeitung vom 10.10.2011
Zurück zum Pressespiegel
Zurück nach Hause